Ich habe mal ein paar kleine Tipps zusammen getragen, die mir selbst sehr bei der Portraitfotografie helfen. Das sind alles Kleinigkeiten, die man einfach anwenden kann und eine grosse Wirkung haben. Wer schon länger Menschen fotografiert wird sie alle kennen, aber speziell der Anfänger kann sich damit das Leben deutlich leichter machen.
Dieser Artikel ist bereits 2012 erschienen und seitdem einer der beliebtesten Artikel auf diesem Blog. Daher habe ich ihn im Mai 2018 einmal etwas überarbeitet.
An der Stelle sei mir auch der Hinweis auf mein Tutorial „Wie ich Licht sehe“ erlaubt, in dem es um Portraitfotografie mit natürlichem Licht geht.
1. Offene Schatten suchen
Eine der einfachsten und ältesten Weisheiten. Fotografiert nicht in der knalligen Sonne, sondern sucht Euch Schatten. Das Licht ist dort viel gleichmäßiger, Ihr habt keine fiesen Kontraste und keine überstrahlten Flächen von der Sonne. Ausserdem ist es im Schatten viel angenehmer als in der knalligen Sonne, zumindest im Sommer Sucht Euch sog. offene Schatten. Das sind Flächen, die z.B. durch grosse Wände komplett im Schatten liegen. Dort habt Ihr meistens auch einen grossen Aktionsradius. Auf dem Beispielbild steht links auch noch eine Wand aus Containern, die das direkte Sonnenlicht abhält. Man muss in diesem Licht nicht so sehr darauf achten, aus welcher Richtung man fotografiert.
2. Fenster als Lichtquelle verwenden
Ein Fenster wird als Lichtquelle oft unterschätzt. Es gehört zu meinen Lieblingslichtquellen. Man kann mit Tageslicht arbeiten, aber das Licht hat eine klar definierte Richtung. Im Gegensatz zu dem offenen Schatten draussen, kommt das Licht nun gezielt aus der Richtung des Fensters und man hat dazu einen deutlichen Lichtabfall. Da man ein Dach über dem Kopf hat, kann das Licht nicht von oben kommen und so werden Augenränder minimiert. Hängt dann noch eine Gardine vor dem Fenster, ist das Licht richtig soft. Wichtig ist dabei auf die Wände zu achten. Helle Wände reflektieren Licht, dunkle schlucken es. Bei dunklen Wänden hat man deutlich mehr Kontrast im Bild. Steht das Model im Fensterlicht, so hebt es sich richtig gut vom Hintergrund ab.

Fensterlicht von vorne und ein relativ dunkler Raum ergeben einen schönen Kontrast. In diesem Bild ist zudem noch etwas Beleuchtung im Hintergrund, die für eine gemütliche Stimmung sorgt.
3. Gegen die Sonne fotografieren
Gegenlicht finde ich in vielen Fällen spannender, als direktes Licht von vorne. Meistens bekommt man dadurch mehr Tiefe ins Bild. Man muss aufpassen, dass der Hintergrund nicht komplett ausbrennt. Der Trick dabei ist sich einen Hintergrund im Schatten zu suchen. Wenn zum Beispiel eine Mauer hinter dem Model ist, so ist diese Mauer im Schatten und hat somit auch wieder Zeichnung. Im Beispielbild habe ich einfach ein wenig nach unten fotografiert, um noch etwas Hintergrund zu haben. Hat man nur Himmel drauf, so wird der Hintergrund hoffnungslos überbelichtet.
Bei Gegenlicht macht sich das Model selbst Schatten. Das bedeutet, es bekommt kein direktes Licht ins Gesicht. Das Licht ist meistens sehr schmeichelhaft und außerdem bekommt man so auch in der Sonne die Augen auf. Die Belichtung sollte man auf die Haut des Model einmessen.
4. Keine komischen Posen
Solltet Ihr mal bei professionellen Models irgendwelche abgefahrenen Posen mit S-Kurve, Hohlkreuz oder Händen in der Hüfte gesehen haben, so macht das nicht nach. Bei den meisten Menschen sehen diese unnatürlichen Posen einfach gruselig aus. Habt Ihr kein Model vor der Linse, dann bringt die Menschen in natürliche Positionen. Lasst sie sich irgendwo anlehnen, hinsetzen, aufstützen, auflehnen. Das funktioniert meistens sehr gut. Keep it simple gilt für mich besonders beim Posing. Eine Pose ist eine gute Pose, wenn sie nicht wie eine Pose aussieht. Schwierig hingegen ist es für die meisten Menschen frei in der Gegend zu stehen. Aus dem Grund liebe ich auch Geländer, da kann man sich so schön aufstützen
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5. Geh nah ran
Ein häufig gemachter Fehler ist zu viel auf einem Foto zu zeigen. Von Mutti kommt dann der Spruch: „Da ist ja gar nicht alles drauf“. Bilder auf denen zu viel zu sehen ist, sind meistens langweilig. Die Kunst ist es wegzulassen und zu vereinfachen. Beim Menschen spielt sich alles im Gesicht ab und das besteht aus Augen, Nase und Mund. Niemand braucht die Ohren und die Haare, um Emotionen zu zeigen. Geht mal richtig nah ran und schneidet die Bilder ordentlich an. Ihr werdet Euch wundern welche Wirkung die Fotos auf einmal bekommen. Wer einen Menschen hingegen komplett auf einem Foto abbildet, verschenkt meistens 60 bis 70% des Fotos und muss sich dann natürlich auch um den Hintergrund mehr kümmern
6. Stets bereit sein
Sobald sich die Kamera zwischen Fotograf und Model schiebt, kommt beim Model oft eine gewisse Anspannung auf. Ich habe es oft festgestellt, dass sich der Mensch vor der Kamera in dem Moment entspannt, wenn man die Kamera vom Auge nimmt. Das ist genau der Moment in dem man schußbereit sein muss. Klingt komisch, ist aber eigentlich einfach. Sei bereit sofort wieder abzudrücken. Nimm die Kamera sofort wieder hoch und drück ab, um den Augenblick festzuhalten. Wenn man sich zu lange damit aufhält Bilder durchzuschauen, verpennt man viele gute Situationen. Das folgende Bild entstand in genau so einer Situation. Da erwischt man ein Model dann auch mal in einer untypischen Pose. Klar, dass da schon mal der Fokus nicht sitzt, aber bei dem Bild ist mir das egal

Ich nahm die Kamera runter, Louisa entspannte sich und lachte. Sofort drückte ich ab, wie ein Berserker.
7. Manuell fotografieren oder auch nicht
Manuell zu fotografieren ist sicherlich nichts, womit man zum besseren Fotografen wird. Ich habe jedoch festgestellt, dass ich im manuellen Modus entspannter bin. Ich stelle die Kamera einmal ein und kann mich danach auf das Model konzentrieren. Ich sage dem Model, dass ich kurz die Kamera einstelle und es noch nicht los geht. Dann nehme ich mir die Zeit, um alle Einstellungen vorzunehmen. Danach kann ich sicher sein, dass alle Bilder gleich und korrekt belichtet sind, sofern ich nicht die Location oder die Perspektive wechsle. Ich habe dann nicht permanent die Frage im Hinterkopf, ob mein Belichtungsmesser nun auch wirklich tut, was ich denke, das er tun sollte. Verwende ich die Blendenpriorität, so kann es sein, dass die Belichtung schwankt, sobald ich die Kamera nur ein paar Zentimeter bewege.
ABER: Solltest Du noch nicht so sicher im Umgang mit der Kamera sein und Dir die Einstellung möglicherweise Streß bereiten, dann verlass Dich ruhig auf die Automatik der Kamera. Der Vorteil ist, dass sie höchstwahrscheinlich nie so daneben liegt, dass man das Bild nicht später noch retten kann, sofern Du in RAW fotografiert hast. Zwar ist es erstrebenswert schon beim Fotografieren die richtige Belichtung zu treffen, aber gerade für Anfänger kann es hilfreich sein, sich erst einmal komplett auf das Model zu konzentrieren.
2. ABER: Auch ich verwende dennoch häufig den A-Modus, vor allem bei Reportagen. Also immer dann, wenn ich mich voll auf das Geschehen konzentrieren will. Dann vertraue ich auf die Kameraautomatik.
8. Den ersten Gedanken über Bord werfen
Du siehst eine coole Wand und oft ist der erste Gedanke das Model direkt davor zu stellen und frontal drauf zu halten. Ja, das kann man machen. Aber die gleiche Location bietet oft noch viel mehr Möglichkeiten. Bewege Dich um das Model herum, gehe nah ran oder weiter weg und überlege, was Du noch alles machen kannst. Oft ist der erste Gedanke auch der offensichtlichste. Das Foto würden die meisten Fotografen machen. Aber erst, wenn Du Dich anstrengst und über eine zweite oder dritte Möglichkeit nachzudenken, wird es meistens kreativ.

Man kann sich aber auch einfach um das Model herum bewegen und schon hat man ein komplett neues Bild.
9. Die 2/3-Regel einsetzen
Man kann es nicht oft genug sagen. Die 2/3-Regel ist meiner Meinung nach die wichtigste Regel beim Bildaufbau überhaupt. Jeder, der schon länger fotografiert benutzt sie ganz intuitiv und unterbewusst. Achtet mal darauf, wie viele Bilder der 2/3-Regel entsprechen. Natürlich kann man diese Regel auch mal brechen und natürlich gibt es viele andere Möglichkeiten ein Bild aufzubauen, aber die 2/3-Regel ist für mich die Mutter als Bildgestaltungsregeln. Ich verwende die 2/3-Regel gerne im Querformat bei der Menschenfotografie, da ich damit mehr Raum habe und dem Bild einen Kontext gebe. Die Umgebung ist oft wichtiger Teil meiner Bilder und erzählt ein Stück weit die Story dahinter. OK, das ist jetzt nicht das, was man als natürliches Portrait bezeichnen würde, aber Ihr wisst was ich meine
10. Aus der Bewegung fotografieren
Wenn es um natürliche Posen geht, dann fotografiere ich die Menschen gerne aus der Bewegung heraus. Lasst sie doch einfach gehen, von Euch weg, zu Euch hin, an Euch vorbei. Bewegt Euch um die Menschen herum und fotografiert dabei. So bekommt man unzählig viele Blickwinkel und oft Bilder, die deutlich lebendiger sind, als wenn man jemanden statisch aufstellt. Ich denke auch, dass es für viele Menschen einfacher ist sich vor der Kamera zu bewegen, statt nur still da zu stehen. Wenn Ihr dazu noch mit etwas längeren Belichtungszeiten spielt, gibt es sehr dynamische Fotos.
Das waren nur ein paar kurze Einstiegshilfen, die Euch vielleicht am Anfang etwas unter die Arme greifen. Viel Spaß beim Ausprobieren.
Was mir gerade beim Anschauen der Bilder auffällt: In allen Fotos, außer dem Titelbild, gucken die Protagonisten nach links. Komisch, fragt mich nicht wieso das so ist